Jung, grün, voller Tatendrang
Sie ist Vorstandsmitglied der Grünen Bezirk Uster und seit 2019 Nationalrätin. Die 28-jährige Mitinitiantin der Massentierhaltungsinitiative setzt sich für eine ressourcenschonende Ernährung, für mehr grüne Flächen und ein lebendiges Uster ein. Wir haben mit ihr gesprochen.
Frau Schneider, was läuft in unserer Welt falsch?
Eine grosse Frage … ein ganz wesentlicher Punkt in meinen Augen ist die Tatsache, dass ein relativ kleiner Teil der Menschen immer mehr Ressourcen beansprucht und den Planeten ausbeutet – auf Kosten eines sehr viel grösseren Teils der Menschen und aller Lebewesen.
Haben Sie ein konkretes Beispiel dafür?
Unser Wirtschaftssystem, das nur auf stetiges Wachstum ausgerichtet ist. Ich bin der Ansicht, dass so ein System ein grosser Fehler ist – mit fatalen Konsequenzen für die Umwelt und die natürlichen Ressourcen. Es gibt kein unendliches Wachstum, zumindest nicht im quantitativen Sinne. Ich begrüsse Wachstum, aber spreche mich dabei klar für ein qualitatives aus. Denn einfach nur «mehr» macht erwiesenermassen nicht glücklicher oder zufriedener.
Sehen Sie auch Trends, die Sie für die Zukunft hoffnungsvoll stimmen?
Ja, absolut. Nehmen wir die Coronakrise. Sie hat Schreckliches mit sich gebracht. Und doch hat sie mich in ihren Auswirkungen auf das Verhalten der Menschen untereinander und ihren Umgang mit Lebensmitteln auch zuversichtlich gestimmt. Nachbarn helfen sich gegenseitig, Kinder kaufen für ältere Menschen ein, immer mehr Personen beziehen ihre Lebensmittel beim Bauern um die Ecke – all diese Trends sind sehr positiv. Sie geben mir Hoffnung auf ein Leben mit weniger Anonymität, mehr direktem Kontakt und mehr Rückbesinnung auf den essentiellen Wert von Lebensmitteln und ihrer Herkunft.
Persönlich sowie auch als Mitglied der Grünen stehen Sie für Tier- und Umweltschutz, nachhaltige Ernährung und sind gegen Food Waste. Wo sehen Sie konkret Handlungsbedarf?
Beim Tierschutz ist die Massentierhaltungsinitiative mein Hauptanliegen, das ich mitinitiiert habe. Wir müssen als Gesellschaft unser Verhältnis zu Tieren in Frage stellen. Wir müssen uns endgültig verabschieden von der industriellen Massenproduktion und Nutztierhaltung, die nur auf Effizienz ausgerichtet ist.
Gibt es in Ihren Augen eine artgerechte Tierhaltung?
Tiere sollten bestmöglich gemäss ihren Bedürfnissen gehalten werden. Ein Schwein ist kognitiv und in seiner Empfindungsfähigkeit einem Hund ebenbürtig. Es spielt genauso gern auf der Wiese und möchte sich austoben. Warum also werden diese zwei Tierarten im Tierschutzgesetz ungleich behandelt? Hunde müssen täglich ausgeführt werden. Schweine dürfen hingegen auf 0.9 Quadratmetern ohne Einstreu gehalten werden. Auch die landwirtschaftlichen Tiere haben ein Recht auf ein artgerechtes Leben mit Auslauf, freiem Himmel und genügend Platz.
Und wo wollen Sie im Bereich Food Waste ansetzen?
Im Bereich der Lebensmittelverschwendung sehe ich sehr grosses Potenzial bei den Konsumierenden zuhause, wo nach wie vor die mit Abstand grösste Menge an Lebensmitteln verschwendet wird. Zudem kann Food Waste genau dort auch am einfachsten vermieden werden.
Geben Sie uns Tipps …
Ganz einfach: Nur so viel einkaufen, wie wir tatsächlich brauchen. Sich nicht von Grosspackungen und Sonderangeboten verleiten lassen. Was hilft mir die Grosspackung Joghurt, bei der das Stück zehn Rappen billiger ist, wenn ich dann drei davon wegwerfe, weil sie abgelaufen sind? Das ist letztlich auch nicht gut fürs Portemonnaie. Hat man dann trotzdem mal zu viel eingekauft, gilt es gesunden Menschenverstand walten zu lassen.
Sie haben den Fair-Teiler Uster auf dem Zeughaus-Areal initiiert. Erklären Sie uns diese Aktion?
Das Projekt «foodsharing», bei dem ich auch aktiv bin, existiert in Zürich schon länger. Wir wollten diese Idee auch in Uster umsetzen. Wir haben einen Kühlschrank aufgestellt, in dem Lebensmittel von Läden und vom Markt deponiert werden, die ihr Verkaufsdatum überschritten haben oder nach Ladenschluss noch nicht verkauft worden sind.
Was findet man in diesem Kühlschrank?
Nur frische Produkte und Waren, die lebensmitteltechnisch unbedenklich sind wie zum Beispiel Brot und Gemüse. Auch Privatpersonen können dort Lebensmittel deponieren. Im Sommer haben viele auch Teile ihrer Gartenernte vorbeigebracht. Das war toll! Eine kleine Gruppe organisiert die Abholungen in den Läden und stellt die Reinigung des Kühlschranks sicher, damit hygienisch immer alles einwandfrei ist.
Wie wird der öffentliche Kühlschrank von der Ustermer Bevölkerung angenommen?
Grundsätzlich sehr positiv. Natürlich gibt es hin und wieder auch Unschönes: Manchmal werden Dinge deponiert, die definitiv nicht hineingehören, wie angeschnittene Geburtstagskuchen oder Fleisch- und Fischwaren. Und dies obwohl in den Regeln an der Kühlschranktür explizit steht, dass es verboten ist.
Welche weiteren Projekte planen Sie in Uster?
Ich möchte äusserst gern an der Gestaltung und der Zwischennutzung des Zeughausareals mitwirken und habe diesbezüglich auch schon Ideen. Demnächst gibt es eine Sitzung mit allen, die sich einbringen, mitgestalten und etwas aufziehen möchten. Ich werde mit Sicherheit teilnehmen und freue mich, spannende, kreative Menschen kennenzulernen.
Sie sind noch sehr jung und bereits Nationalrätin. Was bedeutet das für Sie?
Dieses Amt bekleiden zu dürfen ist ein riesiges Privileg. Immer wieder denke ich daran, wie glücklich ich mich schätzen kann. Denn ich darf mich beruflich für die Themen einsetzen, die mir am Herzen liegen. Ich habe die Möglichkeit, die Gesellschaft zu einer in meinen Augen besseren zu machen.
Sehen Sie Ihr junges Alter als Chance fürs Parlament?
Es ist ungemein wichtig, dass möglichst alle Generationen und Bevölkerungsschichten im Parlament vertreten sind und dass deren Stimmen auch Gehör finden. Ich bringe andere Erfahrungen und Werte mit als eine Person mit 50 oder 60 Jahren. Ich bin in einer digitalen Welt aufgewachsen, was für die meisten Nationalrätinnen und -räte eher ein neues Phänomen ist, da sie in einer anderen Lebensrealität gross geworden sind. Der Austausch über die zukünftigen Herausforderungen an unsere Gesellschaft über möglichst viele Alters- und Bevölkerungsschichten hinweg ist enorm spannend. Nur so finden wir eine Lösung, die für alle funktioniert.
Was ist Ihre stärkste Eigenschaft – oder wie schafft man so einen kometenhaften Aufstieg?
Ich denke, meine Zielstrebigkeit und Geradlinigkeit haben mir einiges ermöglicht. Natürlich darf man dabei aber auch nicht vergessen, dass ich sehr viel Glück hatte. Ich habe wahrscheinlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtigen Menschen getroffen.